Gewerkschaft kämpft für die Arbeitsgerichte

Online-Petition und Aufruf gegen Schließung der Standorte in Potsdam, Eberswalde und Senftenberg

«Man muss dieser Schnapsidee eine Absage erteilen», kritisiert Ulrich Eising den Plan von Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU), in Brandenburg die Arbeitsgerichte in Potsdam und Eberswalde zu schließen und auch die Außenstelle in Senftenberg dichtzumachen. «Mit Arbeitnehmerrechten und Unternehmensinteressen macht man keine Experimente», meint Robert Crumbach aus Potsdam. «Die Standorte wurden gut gewählt. Noch längere Wege verhindern die Durchsetzung kleinerer Ansprüche», warnt André von Ossowski aus Eberswalde.

Das sind drei von 156 Kommentaren zu einer Online-Petition der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für den Erhalt der Arbeitsgerichte in Brandenburg. Gestartet wurde die Petition am 20. Februar. Bislang haben 470 Personen unterzeichnet, darunter 360 aus Brandenburg.

Im Januar 2023 soll es nur noch Arbeitsgerichte in Brandenburg/Havel, Neuruppin, Frankfurt (Oder) und Cottbus geben. Zum Ausgleich für die wegfallenden Stadtorte Eberswalde, Potsdam und Senftenberg werden an einzelnen Tagen Arbeitsgerichtsprozesse in Justizgebäuden in Perleberg, Luckenwalde und möglichst auch in Königs Wusterhausen versprochen. Darum sieht Justizministerin Hoffmann Vorteile für die Bürger. Für die einen werden die Wege nur unwesentlich länger, für die anderen sogar kürzer, sagt sie.

Begründet wird die Reform damit, dass verglichen mit dem Jahr 2003 die Zahl der eingegangenen Verfahren um mehr als 50 Prozent sank, an einzelnen Standorten um bis zu 65 Prozent. Als Reaktion darauf spielten auch die drei Amtsvorgänger von Hoffmann, die Justizminister Volkmar Schöneburg, Helmuth Markov und Stefan Ludwig (alle Linke) mit dem Gedanken, Standorte aufzugeben und als gewissen Ersatz Gerichtstage einzuführen. Nun jedoch ist die Linke kategorisch dagegen.

Der Vorstoß komme «zum denkbar falschesten Zeitpunkt», denn die Corona-Pandemie werde deutliche Auswirkungen auf Beschäftigungsverhältnisse haben. Zu Recht gibt es deshalb breiten gesellschaftlichen Widerstand«, betont die Linke-Landesvorsitzende Katharina Slanina.

»Andere Bundesländer zeigen, dass kleine Arbeitsgerichte funktionieren und für bürgernahe Rechtswahrnehmung stehen. Deshalb müssen alle Gerichtsstandorte erhalten bleiben«, ergänzt die Landtagsabgeordnete Marlen Block (Linke). Der vorliegende Gesetzentwurf nehme den Verlust eines effektiven und zügigen Rechtsschutzes für die Arbeitnehmer bewusst in Kauf. Das sei inakzeptabel! Die Linke werde »die parlamentarischen Mittel ausschöpfen, um dieses Gesetz zu verhindern«, kündigt Block an.

Am Freitag veröffentlichte der DGB-Bezirksvorstand Berlin-Brandenburg gemeinsam mit 350 Betriebs- und Personalräten einen Aufruf, die heutigen Standorte zu erhalten. »Die vorgelegten Pläne führen zu längeren Wegen und höheren Kosten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das wird viele abschrecken, ihr gutes Recht einzufordern«, heißt es in dem Aufruf.

Die DGB-Rechtsschutz GmbH führte den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 4069 Verfahren an Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichten, um Interessen von Gewerkschaftsmitgliedern in Brandenburg durchzusetzen. Der Streitwert habe zusammen rund 6,3 Millionen Euro betragen. »Insgesamt hat die Zahl der Verfahren gegenüber 2019 zugenommen. Hauptstreitpunkt war das Arbeitsrecht, gefolgt vom Sozialrecht«, erläutert Eva Pulfrich, Regionalleiterin Ost des DGB-Rechtsschutzes. »Dabei nehmen arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen vor den Gerichten seit dem letzten Quartal 2020 deutlich zu, während der Streit um sozialrechtliche Fragen, vor allem um Hartz-IV-Bescheide, abgenommen hat.« Die meisten Verfahren seien wegen Entgeltforderungen und Kündigungen geführt worden.

Der DGB mahnt, nicht zu vergessen, dass an den brandenburgischen Arbeitsgerichten mehrere hundert ehrenamtliche Richter tätig sind - als von den Gewerkschaften und den Arbeitgebern benannte Experten des Arbeitsalltages. »Sie lassen sich nicht einfach hin- und herschieben.« Etliche Betroffene gehören zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs, etwa Nina Dorn-Roepke, Betriebsratsvorsitzende der Energie und Wasser Potsdam GmbH. »Wir unterstützen sinnvolle Verbesserungen«, wird versichert. »Aber wir lehnen die vorgesehenen Schließungen ab, denn das ist der falsche Weg.«

www.openpetition.de/petition/online/ verdi-fordert-den-erhalt-der-arbeitsgerichte- in-brandenburg

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